Indiskutable 7 Tore, mickrige 3 Punkte und ein zementierter Platz am Tabellenende – auch in Schwenningen sind es noch 2 1/2 Monate bis Weihnachten, doch schon jetzt brennt der Baum lichterloh. Versuchen wir mal die ganze Situation aufzudröseln und zu analysieren. Denn Aktionismus hat selten Glück gebracht, der Kopf eines Trainers oder Managers ist schnell gefordert, doch was wenn die Probleme tiefer liegen?
Ausgangslage
Die war gut. Im letzten Jahr haben wir eine Saison erlebt, in der uns vieles reingelaufen ist. Nicht unbedingt zu erwartende Leistungssprünge von Strahlmeier und Poukkula, keine schwerwiegenden Verletzungen auf den wichtigen Positionen, eine ungerade Tabelle, die uns über viele Wochen besser dastehen ließ, als wir eigentlich waren und am Ende die erstmalige Qualifikation für die Play-Offs in der DEL Neuzeit. Auch wenn wir dann dort ziemlich chancenlos waren und das Cortina’sche Defensivhockey nicht immer ansehnlich war, es stand eine kämpfende Mannschaft auf dem Feld und dies wurde vom Schwenninger Publikum honoriert. Die Enttäuschung über das Play-Offs Aus verflog auch deshalb schnell, weil fast jedem klar war, wo die Potentiale zur Verbesserung liegen. Bessere Bullyquote, besseres Powerplay, mehr Tore. Die Last nicht mehr allein bei der individuellen Klasse von Acton und Fleury abladen und nette, aber in der Summe doch limitierte, Spieler wie Bartalis, Rech oder Hult gegen stärkere und torgefährlichere Kontingentspieler auszutauschen. Mit wem man auch sprach, fast jeder sagte, wir tauschen die 3 oder 4 Schwachstellen aus, drehen ein bißchen an den Schrauben und dann rocken wir das nächste Jahr. Es war Euphorie da und spätestens als Gesellschafter Michael Werner genau die Kritikpunkte öffentlich ansprach, herrschte Zufriedenheit rund ums Schwenninger Moos.
Doch dann wurde es sukzessive schlechter. Man gab Maurer und Bender ab ohne für Ersatz zu sorgen, verlängerte mit Hult, Bartalis und Co, gab Acton und Fleury ab und wollte dies durch Tiefe im Kader ersetzen. McRae, Korhonen und Bukarts – keiner riß den gemeinen Schwenninger Fan mehr vom Hocker und die Skepsis begann zu überwiegen. Warum spiegelte sich die richtige Saisonanalyse überhaupt nicht im Kader wider? Wer soll die Tore schießen? Wie will ich den Leader und die 45+ Punkte von Acton ersetzen? Kommunikative Patzer, wie einen Top-Spieler anzukündigen und dann mit Hult zu verlängern, dabei ganz außen vor gelassen.
Saisonauftakt
Die Vorbereitung war durchwachsen, schon da fielen die Wild Wings nicht eben durch Torhunger auf. Doch Vorbereitung ist Vorbereitung und wichtig ist was in der Hauptrunde passiert. Dort passierten leider zwei Dinge. Zum einen schlug das Verletzungspech zu und raubte uns mehrere Kontingentspieler, die als tragende Säulen eingeplant waren. Zum anderen erwiesen sich die Fußstapfen von Acton und Fleury für die Neuverpflichtungen als viel zu groß. Sie sind zwar alle läuferisch gut, aber McRae für seine Körpergröße ein halbes Hemd, Bukarts wetterwendisch mit Licht und Schatten und Korhonen bis auf das Tor gegen Nürnberg auch nicht produktiv. Der kämpferische Sieg gegen Nürnberg überspielte dabei die Probleme, die dezimierten Nürnberger waren schwächer als sie auf dem Papier sind. Seitdem achtmal verloren, fünfmal ohne eigenen Torerfolg. Und leider nicht nur knappe und vom Einsatz her akzeptable Niederlagen wie gegen Berlin, sondern auch klägliches „in-das-eigene-Schicksal-ergeben“ wie in Ingolstadt.
Sichtbar wurden dabei alle im Vorfeld befürchteten Probleme und die vollständige Ignoranz der Analyse. Die Klasse von Acton und Fleury, Spieler, die auch mal ein Spiel alleine entscheiden können, lassen sich nicht durch Tiefe auffangen. Das Powerplay ist noch schlechter geworden und die Bullyquote ist weiterhin unterirdisch. Dazu kommt dann noch, dass auch die Defensive nicht mehr so sattelfest ist wie im Vorjahr. Alles belegbar auch durch Zahlen: Die wenigsten Tore, die sechstmeisten Gegentore, 4 Gegentore in eigenem Powerplay, ein Topscorer mit kümmerlichen 2 Pünktchen, 5,26% Überzahlquote, die schlechteste Bully-Quote. Durch und durch ein nicht-ligataugliches Kellerkind.
Lösungen
So richtig viel kann man den Spielern gar nicht vorwerfen. Die meisten spielen das, was sie können. Die meisten sind keine Torjäger, es sind solide und nette Arbeiter, gute Mannschaftsspieler. Da kann man auch als Trainer nicht viel machen, aus einem Ackergaul wird kein Rennpferd. Also eine andere Taktik? Auch das ist schwer, denn Cortina lässt die Mannschaft das spielen was sie kann, defensiv gut stehen, unangenehm sein, laufstark sein. Rennen wir nach vorne, dann sind wir hinten offen. Neuverpflichtung: Ja, das kann bedingt helfen. Wenn man einen Kaliber Acton findet, dann kann der zumindest etwas für Entlastung sorgen und den einen oder anderen Treffer beisteuern und auflegen und so den Druck von seinen Kollegen nehmen. Aber warum sollte man jetzt auf einmal einen finden, wenn man den ganzen Sommer über keinen gefunden hat und dann ohne Not/in großer Not mit Hult verlängert hat? Wahrscheinlich bräuchte man eher zwei solcher Spieler, aber das ist sowohl finanziell wie von der Zahl der Ausländerlizenzen her gar nicht möglich.
Aus diesen Gründen spreche ich mich klar gegen einen Trainerwechsel aus. Ja, ein neuer Spieler tut uns gut, aber ich finde man muss bereits jetzt die Weichen für das neue Jahr stellen. Und das führt uns zur..
Systemfrage
Grundsätzlich ist der „deutsche Weg“ und das „Defensivhockey“ gar nicht so verkehrt. Leider krankt es beim deutschen Weg an drei Punkten:
1) Die wirklich talentierten jungen Deutschen kommen nicht zu uns. Ein Hungerecker oder Wissmann im Vorjahr, die spielen nicht in Schwenningen. Wir kriegen dann entweder welche, die schon älter sind (Mitte 20) und/oder bei den großen Teams durchgefallen sind (Bittner, Höfflin, etc..). Meistens gibt es auch einen guten Grund dafür, dass die dort durchfallen: Sie sind nicht gut genug.
2) Als Folge davon zahlen wir für mittelmäßige deutsche Spieler zu viel Geld. Die Rahmenbedingungen: jung, am besten heimatverbunden, keine Zweiflaggenspieler machen den Markt so eng, dass wir ein Großteil unseres Budgets für Spieler wie Höfflin, Danner, Bittner, Brückner, Wörle, etc.. verbrauchen. Ja, ein Danner ist ein netter und guter Arbeiter – aber doch kein Leader einer Powerplay Formation.
3) Um die Schwächen der deutschen Spieler und die Höhen und Tiefen der Talente auszugleichen braucht es starke Ausländer, die dauerhaft scoren, die vorangehen, an denen die jungen Spieler wachsen können. Leider haben wir davon kaum welche. Hult, Rech oder Bartalis sind biedere Mannschaftsspieler, die für eine Lizenz einfach zu schwach sind. Ob das nun an mangelndem Budget oder dem fehlenden Netzwerk liegt, das ist schwer zu beurteilen. Es ist schon verdächtig, wenn ein Manager erstmal nach Nordamerika fliegen muss um die Stärken der Ligen kennenzulernen, von dort kein Spieler kommt, und wir stattdessen jeden holen, der schonmal von weitem einen Blick auf Petteri Vekkipärta erhaschen konnte und nicht bei drei auf den Bäumen ist.
Nochmal: Die Absicht und das Ziel sind absolut zu begrüßen, aber wahre Größe ist es dann auch, wenn man Fehler eingesteht und nachjustiert. Ich bin der Meinung man muss etwas ändern. Ganz wichtig ist der Fokus auf den Nachwuchs und die Kooperationen zu behalten, dann kommen irgendwann auch wieder die Talente, die man haben wollte. Gleichzeitig sollte man sich aber öffnen, auch hin zu Zweiflaggenspielern und zu Ausländern aus Nordamerika, die wieder etwas ruppiger daherkommen und nicht so brav sind wie unsere Finnen. Keine Säufer wie Bukowski, Chyzowski und Co. – aber Spieler, die auch mal dazwischenhauen, die auch mal aus der Norm ausbrechen, die das Unerwartete machen.
Blicken wir in einem kleinen Exkurs nach Iserlohn: Die meisten Tore geschossen, die meisten Tore kassiert, die meisten Strafminuten und auf Platz 8 in der Tabelle. Da blickt man schon mit mehr als einer Träne im Auge sehnsüchtig ins Sauerland. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses „wilde“ Eishockey in Schwenninger besser ankommen würde als unser derzeitiges Eisschach.
Fassen wir das nochmal zusammen: Ich befürchte, dass die Saison schon fast gelaufen ist, das Kind ist in den Brunnen gefallen. Dies kann passieren und Schwenningen wird auch das überleben. Holen wir uns noch ein paar Rekorde (die wenigsten Saisontore, die meisten Zu-Null-Niederlagen, etc.) und stellen wir frühzeitig die Weichen für das nächste Jahr. Ob dafür ein Manager Rumrich noch der Richtige ist? Ob ein Trainer Cortina anderes Eishockey spielen kann. Ich habe starke Zweifel.
Aber so wie jetzt kann es nicht weitergehen.