Während in Schwenningen schon die Golfschläger geputzt werden, atmet man ganz oben an der Nordsee noch die würzige Play-Off Luft. Der „Aufsteiger“ aus Bremerhaven hat nicht nur die Pre-Play-Offs erreicht, sondern dort auch souverän gegen Ingolstadt gewonnen und darf sich gleich im ersten Jahr auf „echte“ Play-offs gegen den EHC München freuen. Wir gratulieren, aber gleichzeitig macht sich in Schwenningen ein bisweilen sehr neidvoller Blick auf Bremerhaven breit, verbunden mit der Forderung doch das Konzept der Pinguins zu kopieren. Eine sinnvolle Sache?
Ich glaube nicht, denn der Erfolg der Bremerhavener ist einigen glücklichen Umständen zu Verdanken, einer der sich gebotenen Chance, die Bremerhaven beim Schopf gepackt hat. Platz 10 ging so billig weg wie nie, die anderen Teams (inkl. Schwenningen) balgten sich lieber um Platz 11 als die Chancen zu nutzen und Bremerhaven startete mit viel Euphorie, erspielte sich einen Lauf, konnte sich am Anfang oben festsetzen und dann mit einem gut funktionierenden und eingespielten Team diesen Platz bis zum Ende halten. Natürlich ist es bitter, wenn man selber seit Jahren mit viel Hoffnung in eine Saison startet und dann sehen muss, wie es einem anderen Aufsteiger gleich im ersten Jahr gelingt. Andererseits ist dieser Unmut gar nicht notwendig, wir müssen auf uns selber schauen und es besser machen. Zudem kann man auf keinen Fall davon sprechen, dass Bremerhaven souverän die Play-Offs erreicht hat, am Ende war es ein Punkt vor Düsseldorf und wir waren auch nur sechs Punkte weg. Ein knappes Spiel gewonnen, Bremerhaven ein knappes Spiel verloren und wir wären punktgleich gewesen. Über eine lange Saison ist das beinahe Augenhöhe.
Für Bremerhaven ist das toll und ich wünsche Ihnen alles Gute in den Play-Offs, dort oben wird auch schon seit vielen Jahren im Management solide, ruhige und seriöse Arbeit abgeliefert – aber um sich dauerhaft in diesen Regionen zu etablieren, muss man dies über mehr als ein Jahr schaffen. Man sieht an Iserlohn, wie schnell ein Absturz aus den Play-Off Rängen erfolgen kann – ich bin sehr gespannt, ob Bremerhaven das im nächsten Jahr bestätigen kann. Und für uns sollte unser Weg das Ziel sein. Evaluieren, Adaptieren, Verbessern – aber jetzt nicht kopflos einem anderen Club nacheifern, der am Ende der Saison in der Tabelle nur im Bereich des statistischen Zufalls vor uns liegt.
Ein immer wieder eingeworfenes Argument für größere Erfolgschancen ist die stärkere Fokussierung auf Zweiflaggenspieler, schließlich habe Bremerhaven damit Erfolg gehabt. Ich will überhaupt nicht über die anderen Aspekte in dieser Diskussion reden – ein Deutscher mit deutschem Pass ist ein Deutscher mit allen Rechten und Pflichten – egal ob arisch über 600 Generationen oder aus dem kanadischen Urwald, frisch eingebürgert – aber man darf die Augen nicht vor der Realität verschließen, dass einige Clubs verstärkt darauf setzen, Spieler im Ausland zu scouten, die bereits über einen deutschen Pass verfügen oder diesen sehr schnell bekommen können. Diese dann „billig“ verpflichten und damit die Liga aufmischen. Im letzten Jahr ist es Iserlohn gelungen, dieses Jahr haben wir die Roosters hinter uns gelassen. Auch, weil die Spieler, die in der Liga einschlagen, dann von den „Großen“ verpflichtet werden. Dafür landete mit dieser Strategie Bremerhaven vor uns. Doch ist das wirklich der Grund? Blicken wir mal auf ein paar Zahlen:
Bremerhaven hatte mit Bergman, Lampl (D) und Bast, George, Hoeffel, Mauermann, Zucker (F) sieben Spieler, die unter diese Definition fallen. Betrachten wir mal die Spieler der Pinguins und deren Scoring.
Erläuterung: Um Verletzungen und Einsatzzeiten herauszurechnen ist immer der durchschnittliche Wert an erzielten Punkte pro Spiel angegeben. Lavallee, Slaton und McPherson werden bei Bremerhaven aufgrund ihrer langen Vergangenheit in Deutschland nicht zu den originären Zweiflaggenspielern gezählt, genauso wie Trivellato in Schwenningen.
Interpretation: Ich finde die Zahlen geben keineswegs her, dass die Zweiflaggenspieler den Unterschied ausgemacht haben. In der Abwehr, da treibt Cody Lampl den Wert nach oben, dafür bleiben die übrigen deutschen Spieler und die Ausländer hinter unseren zurück, in der Summe sind wir auf exakt demselben Niveau. Im Sturm zeigt sich, dass wir sogar besser dastehen, wenn wir alle Spieler mit deutschem Pass zusammenrechnen, auch unsere deutschen Spieler aus den vorderen Reihen alleine punkten besser als die Zweiflaggenspieler der Bremerhavener. Den entscheidenden Unterschied machen hier die Ausländer raus, hier hat Bremerhaven die signifikant besseren Scorer.
Und das ist für mich der Knackpunkt: Zweiflaggenspieler muss man genauso wie andere deutsche Spieler unter der Prämisse Preis/Leistung betrachten, sie alleine haben nie und werden auch nie den Unterschied ausmachen. Bremerhaven hat schlicht und einfach bei den Kontingentspielern die Hausaufgaben besser gemacht als wir, besser gescoutet und ein besseres Netzwerk genutzt. Hätten wir mehr als einen (Acton) ausländischen Stürmer gehabt, der die 30-Punkte Marke geknackt hat – dann würden wir diese Diskussion nicht führen.
Bremerhaven kann in der Hinsicht seriöser Arbeit ein Vorbild sein, Zweiflaggenspieler dürfen auch nicht per se verteufelt werden – aber jetzt alles über den Haufen zu werfen und die Fischköppe nachzuahmen, das ist für mich der völlig falsche Weg und wäre blinder Aktionismus. Wie schon mehrfach geschrieben – bessere Ausländer, mehr Grit. Das brauchen wir und das hatte Bremerhaven uns in diesem Jahr voraus. Nichts, was man nicht ändern könnte. Nichts, was wir nicht auch selber in der Hand hätten.
Ich würde mir wünschen, dass die Diskussion um Zweiflaggenspieler zurückgefahren wird, denn es suggeriert eine einfache Lösung, eine schnelle Lösung mit dem Ergebnis, dass dann alles gut wird. Dem ist nicht so und Bremerhaven ist dazu nachweislich noch ein schlechtes Beispiel.