Wo stehen wir eigentlich? Wie bewerten wir die Arbeit von de Raaf und Rumrich? Geben wir Ihnen 100 Tage Zeit? 10 Spieltage? Ein Saisonviertel? Und was machen wir, wenn es doch wieder nicht funktioniert? – Schwierige Fragen, die mich auch immer wieder beschäftigt und vom Bloggen abgehalten haben. Denn ich wollte der Mannschaft und dem Konzept Zeit geben und habe deswegen bewusst auf jede Kritik über die in den ersten Spielen auch sichtbaren spielerischen Mängel verzichtet. Denn Laufen und Kämpfen kann man von Anfang an – Spielzüge, Abstimmungen und Automatismen brauchen ihre Zeit.
Dass die Kraftdefizite und die mangelnde Tiefe im Kader angesprochen wurden, war völlig korrekt und wurde von den Verantwortlichen auch ähnlich gesehen. Mit dem Glücksgriff Will Acton haben Sie nachgelegt und sind weiterhin auf der Suche nach einem zusätzlichen Stürmer. Damit hilft man den kämpfenden Spielern ungemein indem man sie entlastet.
Und jetzt? Wo wir alle einmal gespielt haben? – Als Wild Wings Fan muss einem das Herz aufgehen, wenn man sieht wie sich die Puzzleteile des de Raafschen Konzepts zu einer funktionierenden Mannschaft zusammenfügen. Die Mannschaft kämpft, sie hat einen klaren Matchplan, setzt den um und erntet die verdienten Erfolge. Durch bessere Abstimmung der Spieler kommen die Pässe genauer und die Zahl kräftezehrender Zweikämpfe konnte erfolgreich reduziert werden – das Problem der fehlenden Kraft in den ersten Spielen ist verflogen. Kurth hat sich in der Liga akklimatisiert und zeigt Woche für Woche das Potential auf, ein gestandener DEL-Spieler werden zu können, der auch scoringmäßig überzeugen kann. Auch Damien Fleury hat sich an die Liga angepasst und zeigt endlich die Qualitäten, die ihn bei der WM ausgezeichnet haben. Mit mehr als einem Punkt pro Spiel ist der deutlich über dem Soll. Hult und Rome ergänzen wechelseitig sehr gut die beiden Punktemaschinen Fleury und Acton, wobei letzterer einen nahezu unglaublichen Lauf hat. Bin mal gespannt, wie es mit ihm weitergeht, wenn die teuren Angebote aus der Liga eintreffen.
Noch schöner macht die Situation, dass auch die Tabelle die Erfolge widerspiegelt. Nach zwei Sechs-Punkte-Wochenende in Folge ist man nur noch einen Punkt hinter dem ersehnten Platz 10, es fehlt gerade mal ein Sieg zu Platz 6. Die Mannschaft belohnt sich selber und man sieht ihr den Spaß auch an – es ist einfach als Sportler ungemein befriedigend, wenn man sieht dass sich Mühe und Aufwand lohnen und auszahlen.
Damit alles Friede, Freude, Eierkuchen? – Könnte man meinen und ich finde es ist auch wichtig, dass man den Moment und den Erfolg genießt. Das tue ich auch als Fan und das gönne ich auch jedem Fan nach dem Seuchenjahr zuvor. Doch als Berichterstatter muss ich auch den Blick voraus wagen und bedenken, dass es da die eine oder andere Gletscherspalte weiter auf unserem Weg liegt. Königstransfer Stastny – inzwischen verletzt – spielt völlig hinter den Erwartungen und kann nur als Enttäuschung bezeichnet werden. Wenn sich Acton in seinem brutalen Lauf eine Pause gönnt – und die wird kommen und auch die gegnerischen Teams werden sich auf ihn einstellen – dann könnte Stastny auf dem Papier in die Bresche springen. Aber nur auf dem Papier. Nicht in der Realität.
Ich hoffe, die Bemühungen um einen zusätzlichen Stürmer werden intensiviert und dann kann man Stastny auf die Tribüne setzen oder mit einer Abfindung auszahlen – wenn es der Körper nunmal einfach nicht mehr zulässt, dann muss man das auch irgendwann einsehen. Der zusätzliche Stürmer könnte uns dann wirklich die Alternative bieten, die wir brauchen, wenn wir bis zum Ende um die Play-Offs mitspielen wollen. Fällt Acton aus, wer soll ihn ersetzen? Fällt Kurth aus, dann rückt dort auch keiner nach. Schmölz oder Billich haben das Level (noch) nicht. Ritter und Pohl beweisen, warum sie es auch bei anderen Teams nicht geschafft haben. Unser Kader ist und bleibt auf Kante genäht.
Für uns spricht auch, dass sich die Liga noch nicht entschieden hat, welche Kräfteverhältnis sie dieses Jahr darstellen möchte. Weder ist Mannheim vorne weg, noch hat sich wie mit uns im Vorjahr frühzeitig ein Kellerkind gefunden. Dadurch ist noch alles sehr eng zusammen und mit zwei weiteren Siegen könnte man ganz schnell in richtig hohe Sphären klettern. Genauso schnell kann es dann aber auch wieder abwärts gehen. de Raaf und sein Team müssen sich beweisen, wenn das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlägt. Acton muss sich beweisen, wenn er mal die Seuche an der Kelle hat. Die Fans müssen sich beweisen, ob sie das jetzt als schönen Moment genießen oder die Erwartungen wieder zu schnell ansteigen lassen.
Wir alle haben dieses Jahr eine Chance – nutzen wir sie. Aber sind wir auch nicht zu enttäuscht, wenn es doch nicht klappen sollte.
Rumrich – an dem ich arge Zweifel hatte und auch noch habe – und de Raaf beginnen mich zu überzeugen und ich traue ihnen auch zu, auf die auftretenden Probleme wie bisher die richtigen Antworten zu finden. Und bis zum nächsten Rückschlag genießen wir einfach den Goldenen Oktober. Das haben wir uns alle verdient.