Ich habe etwas überlegen müssen, welchen Artikel ich zur Weihnachtszeit verfasse und längere Zeit hat sich in mir etwas dagegen gesträubt bereits Mitte Dezember ein abschließendes Saisonfazit zu schreiben. Doch letztlich finde ich, dass man das dieses Jahr bereits so früh machen kann. Auch wenn man sagt, dass im Eishockey alles möglich ist, ohne ein Wunder ist diese Saison für die Wild Wings gelaufen und das Ziel kann nur noch Schadensbegrenzung sein, um die langfristige Enttäuschung bei den Fans so gering wie möglich zu halten. Denn die Stimmung ist nicht entspannt – auch wenn wir als Underdog auf Platz 13 völlig korrekt in der Tabelle eingruppiert sind, gibt es eine diffuse Mischung aus Fanwut, übersteigerten Erwartungen und dem Gefühl, persönlich beleidigt sein zu dürfen, wenn ein Spiel nicht gewonnen wird. Das äußert sich in einem Fanprotest, das äußert sich in vielen Postings – mal mehr, mal weniger qualifiziert und die Befürchtung ist, dass da langfristiger Schaden entsteht. Denn die Saison wird sich die nächsten zwei Monate nichts mehr ändern und man kann sich jede Woche in „Arbeitsverweigerer, Söldner“ – Postings reinsteigern und am Ende doch nichts erreichen.
Deswegen habe ich für mich persönlich den brennenden Baum bereits gelöscht. Die Saison ist gelaufen, das Team kaum Emotionen wert und Gleichgültigkeit ist gesünder als Wut oder Hass. Ich geh tiefenentspannt zu den Spielen und dann ist auch alles gar nicht so schlecht, wie wenn man krampfhaft der Meinung ist, dass das da unten auf dem Eis das Schlimmste ist, was wir in Schwenningen je gesehen haben. Isses nämlich nicht.
Denn wenn man versucht die Saison nüchtern zu analysieren, dann gibt es Gründe dafür, warum wir da stehen und dann kommt das auch nicht wirklich überraschend.
Schauen wir uns zuerst mal Voraussetzungen an, die nötig sind, um in Schwenningen eine sehr gute Saison zu spielen. Sehr gut definiere ich als Erreichen der Pre-Play-Offs. Ich glaube da herrscht allgemeiner Konsens, dass unser Ziel zur Zeit immer nur der Kampf um Platz 10 sein kann. Einen Kampf kann man auch verlieren aber um ihn zu gewinnen muss alles funktionieren:
- Ausländer, die einschlagen und tragende Rollen spielen
- Keine Ausfälle auf zentralen Positionen
- Ruhe und Einigkeit im Umfeld
- Teamspirit, um individuelle Schwächen zu kaschieren
Hat man Probleme bei nur einer der vier Voraussetzungen, dann wird es mit Platz 10 schon schwierig – ist wie bei uns gar nix erfüllt, dann ist Platz 13 beinahe noch ein akzeptables Ergebnis.
Ausländer, die einschlagen und tragende Rollen spielen
Im Vorfeld wurde der Kader durchweg als gut bezeichnet, mit den Verpflichtungen war die breite Masse sehr zufrieden. Es gab nur wenige Mahner – auch ich gehörte nicht dazu – aber ich erinnere mich meiner Lobreden auf z.B. Greentree und Matsumoto und würde meine im Vorfeld geäußerte Einschätzung auch wieder so treffen. Es hat nunmal nicht so funktioniert wie gedacht und dann muss man eben akzeptieren, dass man auch mal falsch liegt und das vielleicht auch anderen zugestehen und nicht die eigene Meinung von vor drei Monaten völlig vergessen und frei nach „ichs habs ja schon immer gesagt“ mit dem Eindreschen beginnen.
Dabei lag bei fast jedem Ausländer im Nachhinein ein Risiko (sonst wären sie auch für uns nicht alle finanzierbar gewesen) – und dass das Pendel bei allen so zur negativen Seite ausschlägt, das habe ich auch noch nie erlebt. Matsumoto hatte mehrere Monate wegen einer Verletzung gefehlt, Risiko Fitness. Palmieri war ebenfalls wochenlang nicht im Training, Risiko Fitness. Greentree hatte zwar seine 30-Tore-AHL Saison, aber ein Engagement in der NLB deutet doch mehr auf „ich lass es mir jetzt mal gut gehen“ hin und er hatte uns zuerst auch abgesagt, Risiko Motivation. Green hatte seine Karrieresaison und wird nicht jünger, Risiko Alter & Konstanz. Ashton Rome hatte sich bisher nur im schwächsten Team der Liga bewiesen, Risiko „Einäugiger unter den Blinden dort“. MacGregor Sharp versuchte sich erst im hohen Alter von 28 Jahren das erste Mal in der DEL, Risiko Leistungsvermögen.
Keine Ausfälle auf zentralen Positionen
Sean O’Connor war als zentraler Spieler im Konzept vorgesehen, bester deutscher Stürmer, Power Forward mit Scoring Touch. Und dann kommt er mit dem Fitnesslevel von Sigmar Gabriel aus dem Sommer und ist die ganze Vorbereitung und jetzt schon wieder einige Spiele verletzt. Wir haben keinen deutschen Spieler der ihn ersetzen kann, das ist ein herber Schlag für uns, wenn es im Konzept keinen Failover gibt.
Ryan Ramsay hat zwar zu Saisonbeginn nicht überzeugt, war aber mit seiner Erfahrung, seiner Aggressivität und seiner Flexibilität – als Center und als Winger einsetzbar – ein wichtiger Baustein im Konzept für die Saison gewesen. Seine Verletzung, die jetzt tragischerweise wohl zum Karriereende führt, war der nächste herbe Schlag für unser Konzept. Eine Nachverpflichtung ist nicht gelungen, ein Ersatz gibt der sonstige Kader nicht her.
Aus dem Vorjahr gelernt wollte man Dimitri Pätzold mehr Pausen geben, mit Markus Janka holte man einen zweiten Torhüter, den man bedenkenlos regelmäßig spielen lassen kann. Und dann verletzt er sich auch im ersten Spiel und in den ersten entscheidenden Wochen der Saison – dort wo man ein Fundament legen muss – wird Pätzold wieder mehr oder weniger verheizt. Auch hier gab es keinen Ersatz für Janka, der Markt gab auch nichts bezahlbares her.
Da bist als Trainer und Manager in gewissem Sinne die ärmste Sau im Stadion – wenn dir sowohl die Neuverpflichtungen wie auch die bestehenden Spieler einer nach dem anderen wegbrechen. Natürlich tragen sie dafür die Verantwortung und Stefan Mair – und wohl auch Alex Jäger – haben auch ihren Preis dafür bezahlt – aber es fällt mir schwer ihnen dafür eine bewußte „Schuld“ zuzusprechen. Wir alle – oder die meisten – waren mit der geleisteten Arbeit ja zufrieden und während sie hilflos davor stehen und ihren Hut nehmen müssen, stehen wir fassungslos davor und motzen, meckern und schimpfen.
Ruhe und Einigkeit im Umfeld
Ja gut. Wenn Trainer und Manager nicht miteinander können, dann überträgt sich das auch auf die Mannschaft. Die Entlassung des Trainers hat einen Keil zwischen die Fans getrieben, der Manager wird durch die Gesellschafter öffentlich angezählt und der Kredit, den sich die Mannschaft durch den Derbysieg erspielt hat, ist schneller aufgebraucht als der Biervorrat im Sonderzug. Das zeigt sich in einem Fan- und Stimmungsboykott – nur 14 Tage nachdem man die Mannschaft gegen Nürnberg noch umfassend bejubelt hat. Ich weiß, dass Zeiten schnelllebiger werden und dass man ständig irgendeine Sau durchs Dorf treiben muss – aber mehr Ruhe würde allen gut tun. Vom einfachen Fan bis zum geschäftsführenden Gesellschafter.
Ich kann auch dieses ständige Gerede von Arbeitsverweigerung, „in der realen Berufswelt schon längst gefeuert“ usw.. nicht mehr hören. Eishockeyspieler ist genauso ein „realer Beruf“ wie Fleischer, Gipser oder Vertreter bei Bosch. Und wie in jedem Beruf passieren Fehler – wenn am Stammtisch das Gespräch auf Behörden, Geschäfte und Co. kommt, dann kann man meinen, es arbeiten nur noch Idioten in der Wirtschaft – und es ist hanebüchen zu behaupten, dass man überall sonst wegen jedem Fehler gleich gefeuert wird. Es mag doch jeder mal in sich gehen und jeder wird Sachen aufzählen können, die er in den letzten Monaten im Job verbockt hat. Nur merkt das nicht unbedingt jeder und man wird nicht ausgepfiffen und beschimpft durch die Kantine gejagt. Eishockeyprofis stehen in der Öffentlichkeit – das ist ein Teil des Berufes und dafür werden sie auch bezahlt – aber genauso haben sie gute und schlechte Tage, liefern gute und schlechte Leistungen ab, haben mal mehr Lust und mal weniger Lust. Wer selber noch nie mal blau gemacht hat, noch nie mal in seiner Dienstzeit privat gesurft oder telefoniert hat oder noch nie mal 10 Minuten auf dem Flur geschwatzt hat anstatt das Telefon abzunehmen – der darf mit Fug und Recht und breit geschwellter Brust die Arbeitseinstellung anderer Menschen kritisieren.
Teamspirit, um individuelle Schwächen zu kaschieren
Together everyone achieves more oder Toll, ein anderer machts. Ein Team kann mehr oder weniger sein als die Summe der Einzelpersonen und gerade in unserer Situation brauchen wir ein Team, einen verschworenen Haufen um individuell besser besetzte Mannschaften schlagen zu können. Wir haben es dieses Jahr leider nicht. Genauso wie Trainer und Manager sind auch Spieler untereinander zerstritten – es ist halt so. Wieviel Projektteams fliegen in der „freien Wirtschaft“ auseinander, weil die Leute nicht miteinander können? Wie unnormal ist es, dass es zu Konflikten in Teams kommt, in denen quasi jeder die Führungsrolle anstrebt oder um beim Eishockey zu bleiben – soviel wie möglich spielen möchte? Ich glaube Teamspirit ist nur bedingt planbar und auch zu einem gewissen Teil von Glück und dem Saisonverlauf abhängig. Trotz aller Maßnahmen und Millionenausgaben für Coaching und Teambuilding kann man sowas letztlich nicht erzwingen. Am Ende des Tages sind Manager und Trainer dafür verantwortlich – sie stehen und stellen sich der Verantwortung – aber niemand hat bewußt ein zerstrittenes Team geplant.
Jeder, der das kritisiert, soll die Lösung präsentieren, wie man in Zukunft garantieren kann, dass zwei Menschen, die noch nie zuvor zusammen gearbeitet haben, über ein Jahr ein gut harmonierendes Team bilden.
Fazit und der Blick in die Zukunft
Kann man das verhindern? Kann man das besser machen? – Man kann, aber wie die Analyse schon zeigt, sind manche Faktoren im Vorfeld nur schwer eindeutig beherrschbar. Jeder Spielertransfer ist immer ein Risiko, jede Verletzung kann passieren. Wir haben nunmal kein Netz und keinen doppelten Boden und wir werden auch wieder Saisons erleben, wo es besser und schlechter läuft. Was man machen kann, ist durch gutes Scouting, ein durchdachtes Konzept und erfahrene Leute in der sportlichen Leitung das Risiko zu minimieren. Und damit muss man jetzt für die neue Saison anfangen. Jetzt.
Durch diese Saison müssen wir jetzt eben irgendwie durch. Und bis dahin eine frohe Weihnachtszeit.