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Ein Plädoyer für das Verlieren

Posted by on September 17, 2014

In der ganzen Malaise des vergeigten Auftaktwochenendes ist bei mir mal wieder eine Frage hochgekommen, die sich schon in der letzten Saison immer mal wieder latent bemerkbar gemacht hat. Haben wir das Verlieren verlernt?

Deswegen möchte ich heute mit einem Plädoyer für das Verlieren einen Debattenbeitrag leisten. Das urtümlichste Wesen des Sports ist das Gewinnen und wo es Gewinner gibt muss es zwangsläufig auch Verlierer geben. Wären wir alle gleich verteilt und blenden Unentschieden aus, dann müssten wir 50% aller Wettkämpfe verlieren. Das ist die Hälfte. Betrachtet man das auf die ganze Saison, die nur einer von vierzehn gewinnen kann, dann steigt die Quote sogar auf knapp 93%. Verlieren, eine Niederlage, ist also das Normalste von der Welt und vom Sport nicht zu trennen. Doch trotzdem kann ich das Gefühl nicht verleugnen, als wenn diese Akzeptanz zunehmend schwindet.

Wir haben früher auch verloren, oft verloren, bitter verloren – doch dann hat man das akzeptiert, im Stadion die Schuhe ausgezogen und „You’ll never walk alone“ angestimmt – das habe ich seit Ewigkeiten leider nicht mehr bei uns gehört/gesehen – und ist dann kopfschüttelnd, bisweilen vielleicht auch verärgert gestikulierend, zum Auto gegangen und die Sache war gegessen. Ohne in den Verdacht kommen zu wollen die Vergangenheit zu verklären gab es natürlich auch böse Pfiffe, beißenden Spott und unsachliche Tiraden gegen das Team – doch täuscht es mich oder hat das enorm zugenommen?



Für jede Niederlage bedarf es eines Schuldigen. Der Schiri ist ein Depp, der Trainer ein Versager, die Spieler sowieso nur Söldner – bei manchen Kommentaren im Internet bleibt ein ernstes Gefühl zurück, dass die Personen sich persönlich aufs Heftigste angegriffen und beleidigt fühlen, wenn die Mannschaft, ihre Mannschaft, es wagt ein Spiel zu verlieren. Dann ist die ganze Woche runiniert, die Laune im Keller und man muss seinen Unmut in unsachlichen Ergüssen und persönlichen Angriffen in die virtuelle Welt tragen. Ist das wirklich eine einer sportlichen Niederlage angemessene Reaktion?

Jeder, der sich regelmäßig mit einem Partner zum Tennis, Squash oder Badminton trifft, wird merken, dass mal der eine oder mal der andere gewinnt. Pfeifft Ihr Euch dann auch selber aus und beschimpft Euch selber als lustlose Kerle, die den Finger nicht aus dem Arsch kriegen? Ob Kreisliga A oder B, auch hier heißt es „mal verliert man, mal gewinnen die anderen„. Besteht dort Eure Mannschaft dann auch nur aus einem Haufen Egoisten, der Trainer ist ein Versager, den keiner mag und der Schiri sowieso der Stadiondümmste, gestreift in Schwarz und Weiß? Oder sagt man nach dem Spiel „Schwamm drüber, nächstes Mal besser!„? Weltklasse-Dartspieler wie Phil Taylor haben trotz millionenfach geübter und immer gleicher Wurfbewegung Tage wo der Pfeil einfach nicht in die Triple-20 will. Passiert. Ist er dann auch ein Vollversager und ein „Blinder“ wie der Verteidiger, der den Puck von der blauen Linie leider dreimal neben das Tor setzt?

Sport ist nicht planbar, Sport besteht aus viel zu vielen Zufällen und so vieles ist oft nur Glück oder Pech. Touchiert der Ball die Netzkante oder springt der fallende Puck nach links auf meine Kelle oder nach rechts auf die Kelle des Gegners? Und in Mannschaftssportarten potenzieren sich dann die Zufälle: Dem Stürmer springt der Puck aufgrund einer Unebenheit im Eis über die Kelle, der Verteidiger hat die Nacht schlecht geschlafen, hat Kopfschmerzen und ist deswegen einen Schritt zu langsam und am Ende der Kette wird der Torwart auf dem falschen Fuß erwischt und alle sehen aus wie die größten Deppen und dürfen sich auspfeiffen lassen, im Hinterkopf die Gedanken, dass man ihnen keine 10 Minuten später online vorwerfen wird, was für ein lustloser Deppenhaufen sie doch sind.

Sport ist nicht planbar – und das ist auch gut so! Und im Sport geht es immer weiter. Es gibt kein Ende, kein definitives Ergebnis, sondern immer ein nächstes Spiel, die Chance zur Revanche. Lassen wir den Dampf aus dem Kessel, fahren wir vor allem die persönlichen Angriffe und Unterstellungen zurück und lernen wir wieder mit Anstand zu verlieren.

Haben wir das Verlieren verlernt?

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