Kurz vor Saisonbeginn werben gleich zwei neue – nennen wir sie mal neutral „Projekte“ – bei den Fans der Wild Wings um Anerkennung und Mitgliedschaft. In Ultrakurzform ist das Konzept auf den folgenden Nenner runterzubrechen: Geld zahlen! Vorteile kassieren!
Moment, der alteingesessene SERC Fan erinnert sich da direkt an das mehr oder weniger (eher mehr) mißglückte Experiment mit der exklusiven Wings Club – Karte, die in einem Jahr zur Dauerkarte dazu erworben wurde und eine Menge Vorteile mitbringen sollte. Letztlich gab es davon nix, eine Handvoll besondere Artikel auf der Webseite und zur SERC Mitgliederversammlung kam man mit der Karte dann auch nicht. Gute Idee, Umsetzung mangelhaft. Werfen wir deshalb mal einen unkritischen rosarot bebrillten möglichst objektiven Blick auf die beiden neuen Entwicklungen in der Fanszene der Wild Wings.
Punkt 1 ist das Wild Wings Fanprojekt – ein von vielen alten Bekannten ins Leben gerufener Verein, der mit Unterstützung der Wild Wings GmbH die Interessen der Fans bündeln und ihnen helfen soll, die zunehmend weniger hemdsärmeligen Umstände in der DEL zu meistern, Auswärtsfahrten zu koordinieren und als Ansprechpartner in jeder Lage zu dienen. Ich sprach gerade von „alten Bekannten“ und das ist auch richtig so, die meisten der Gründer kennt man seit vielen Jahren aus der Fanszene, teilweise waren sie auch schon in der alten FCV aktiv und auch die beiden Fanbeauftragten sind bei dem Fanprojekt aktiv. Für 19,04€ im Jahr kann man Mitglieder werden und Vorteile sind dann Vergünstigungen bei Auswärtsfahrten und dem Sonderzug, exklusive Aktionen, Veranstaltungen und Fanartikel und ein Vorkaufsrecht für Auswärtstickets. Konkrete Aktionen abseits vom Sonderzug wurden bisher noch nicht angekündigt.
In weiten Teilen halte ich das für eine sehr gute Sache. Die Vereinsstrukturen und eine gesunde finanzielle Basis durch die Mitglieder ermöglichen es z.B. Sonderzüge auf solide Beine zu stellen und das finanzielle Risiko von den Schultern engagierter Privatpersonen zu nehmen. Auch die Bündelung der Aktivitäten, die Koordination verschiedener Busanbieter und die bessere Verbindung zur GmbH sind alles Punkte, die ich sehr positiv sehe. Das Ganze wirkt sehr durchdacht, sehr engagiert und verdient auch Respekt, doch auch die FCV startete mal mit sehr hehren Zielen und fand dann ihren Niedergang. Ich bin gespannt wie das Fanprojekt von den doch bekannt zurückhaltenden Schwaben angenommen wird, ich wünsche mir, dass es Erfolg hat, denn jede Aktivität für die Fanszene ist erstmal gut. Doch eine Gefahr möchte ich nicht verhehlen, deren Anwesenheit man nicht wegdiskutieren kann. Vom Selbstverständnis her scheint man sich schon als GmbH legitimiertes Sprachrohr und Dachverband für die Fans zu sehen, dafür spricht auch die starke Einbindung der Fanbeauftragten. Und das kann zur Gefahr werden, wenn wie hier Mitgliedsbeiträge ins Spiel kommen. Schnell kann dann der Eindruck entstehen, es gibt Fans erster Klasse und Fans zweiter Klasse. Die Mitglieder, die sich ihren Status erkaufen, und dann bequem an Karten für z.B. Mannheim kommen und die Fans, die genauso engagiert sind und keinen Beitrag zahlen wollen und die dann für solche Spiele in die Röhre gucken. Fanbeauftragte oder Fanbetreuer der GmbH sollten immer für alle da sein und nicht für die zahlende Kundschaft.
Aber ich traue den erfahrenen Verantwortlichen zu, dass sie diesen schmalen – aber bei Weitem nicht zu schmalen – Grad erfolgreich meistern und einen guten Beitrag für die Schwenninger Fanszene liefern werden.
Ebenfalls neu ist in diesem Jahr der Meedale Förderkreis. Hier sind sowohl Ausgestaltung wie auch Zielgruppe anders. Man versteht sich keinesfalls als Dachverband, sondern betont die Ausrichtung auf Jugendliche, die bisher unorganisiert in der Kurve stehen und möchte diese unter die eigenen Fittiche nehmen um Interessen, Fähigkeiten und Kräfte für eine lebendige, farbige Kurve zu bündeln. Es kostet 15 Euro im Jahr und auch hier kann man mit Vergünstigungen bei Auswärtsfahrten und exklusive Aktionen rechnen. Zudem wird einem die Möglichkeit in Aussicht gestellt in die Meedale-Gruppe „aufzusteigen“. Auf den ersten Eindruck wirkt es so, als versuche die Meedale Gruppe hier nach neuen Mitgliedern bei den jungen und formbaren Wild Wings Fans zu fischen und wenn man andere Ultragruppen betrachtet, dann gibt es darum oft einen sogenannten Unterstützerkreis, Förderkreis oder Dunstkreis aus denen die Kerngruppe neue Mitglieder rekrutiert. Man kann zu Ultras kritisch stehen und man kann auch zu den Meedale kritisch stehen und genauso wie irgendjemand anders machen auch sie nicht immer alles richtig. Aber das jetzt herzunehmen und den Förderkreis in der Art abzuwerten: „Da werden doch nur mehr von diesen nervigen und gewalttägigen Ultras herangezüchtet“ ist völlig falsch.
Auch diese Gruppen und damit auch die Meedale sind Gruppen, die füreinander stehen, die auch für Kameradschaft und Werte stehen. Hier sich insbesondere um Jugendliche zu kümmern, die eben gerne auch mal über die Stränge schlagen, weil ihnen keiner sagt wo im Stadion die Grenzen sind, ist eine sehr sinnvolle Aufgabe. Und was Sachen wie „positiver Support statt Gegner beleidigen“ angeht, haben die Meedale zusammen mit anderen Kräften in der Kurve in der letzten Zeit einiges bewegt. Die Quote an Fangesängen gegen den Gegner ist so niedrig wie sonst fast nirgendwo (Hallo München!), fast schon zu niedrig. Und wenn dieser Förderkreis den jungen Leuten vermittelt, dass es kein gutes Fanbild ist, sich den Mittelfinger wundzustrecken und in einer Tour die Mütter der gegnerischen Fans im horizontalen Gewerbe zu verorten, dann wird damit langfristig viel erreicht.
Ob dann dadurch am Ende mehr Ultras entstehen – das wird die Zeit zeigen, aber auf jeden Fall bietet der Förderkreis die Möglichkeit Orientierung und Halt zu geben. Und dieses Engagement ist zu respektieren.
Als Fazit hoffe ich, dass beide Entwicklungen nicht als Konkurrenz sehen, sondern beide ihre Daseinsberechtigung haben. Ich bin gespannt, wie es sich entwickelt.