Es gibt nicht so viele Bücher über Eishockey und die Wenigen sind auch nicht unbedingt gut. Letztens lachte mich der österreichische Nationaltorwart Bernd Brückler von einem Cover an und verkündete mit der Schlagzeile: „This is Russia: Das Leben in der KHL: Ärzte, Bazas und Millionen von Flugmeilen„, dass er ausführlich über seine drei Jahre in der KHL berichten würde. Die KHL – 2008 mit viel Geld zweifelhafter Herkunft als europäischer Gegenspieler zur NHL aufgebaut – ist für viele immer noch wie die alte russische Eishockeyschule und -ausbildung ein Mysterium. Ich war gespannt ob Bernd Brückler da ein paar Schleier lüften kann.
Bleiben wir erstmal bei ein paar Vorurteilen über Eishockeyspielern, dann trifft das in literarischer Hinsicht sicher zu. Wir haben hier keinen Günter Grass, keinen Nobelpreis vor uns liegen, sondern einen eher simpel gehaltenen Text. Kurze Sätze, Wiederholungen, Sprünge im Text – es liest sich manchmal etwas holprig, dafür aber auch jederzeit authentisch. Man hat fast durchgehend das Gefühl das Brückler hier in der Tat selber schreibt und der „Ghostwriter“ – ein finnischer Journalist – nur dezent und an ausgewählten Stellen eingegriffen hat.
Inhaltlich berichtet er nicht zeitlich stringent, sondern thematisch über seine drei Jahre in Russland, unterteilt in verschiedene Kapitel die sich mit Trainingsmethoden, Ärzten, dem russischen System, Leben in Russland, Ärzten, usw.. beschäftigen. Der richtige rote Faden fehlt im Buch, er spricht mit nur einem geringen Zusammenhang versehen die Themen an, die ihm wichtig sind. Leider fehlt dabei ein wirklich intensiver Einblick in die Psyche und den Aufbau einer Mannschaft in Russland, auch taktisch ausführliche Beschreibungen des russischen Eishockeys und der Unterschiede zu Nordamerika und Europa fehlen im Detail – da verliert sich Brückler dann meist in Allgemeinplätzen oder kurzen Anekdoten.
Apropos Anekdoten: Die eishockeytypischen Anekdoten (Alkohol ins Trainingslager schmuggeln, Nachts aus dem Hotel ausbüchsten, leichte Mädchen im VIP Bereich der örtlichen Kneipe) sind nicht viel anders als was man auch so in Schwenningen hört und die russlandtypischen Anekdoten (Bestechung von Polizisten, Gehälter in bar, Mafiaverbindungen) bedienen größtenteils die westlichen Klischees über das rote Reich. Seine stärksten Elemente hat das Buch wenn er ausführlicher über Trainingsmethoden und die alte sowjetische Philosophie der Teamführung berichtet, aber auch da fehlt der große Zusammenhang und die große Einordnung. Erfrischend, dass er offen zugibt wegen des Geldes nach Russland gegangen zu sein.
Mich hat das Buch etwas enttäuscht, ich hatte mir mehr versprochen. Es ist leicht zu lesen, gerne mal im Zug oder in der Sonne auf dem Balkon. Ein paar nette Anekdoten sorgen für unterhaltsame Stunden, ein bleibender Eindruck will sich aber nicht einstellen.
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