So langsam wird es wieder Eishockey-Wetter und der schwarze Schwan meldet sich zurück. Ich habe bewusst keine Transfermeldung kommentiert, weil ich Rumrich und Cortina die Chance geben wollte, ein Team komplett zusammenzustellen bevor sie sich der notwendigen Bewertung ihrer Arbeit stellen müssen. Da die Kaderplanung jetzt abgeschlossen ist, kann man also loslegen.
Der Rückblick auf die letzte Saison deckt vor allem drei Schwachpunkte auf, die für das Verpassen der Pre-Play-Offs maßgeblich waren: Zu wenig Scoring, zu wenig Grit, zu wenig Tiefe. Mit dem Rest konnte man zufrieden sein, das Team spielte meistens das was es konnte, defensiv stand man ganz ordentlich und die jungen deutschen Spieler haben uns viel Freude gemacht.
Diese Klarheit in der Analyse ist eine wunderbare Vorlage für die Arbeit zur neuen Saison gewesen, schließlich waren die vermeintlichen Schwachstellen vermeintlich schnell auszumerzen. Der Beginn dieses Weges war auch ausgeprochen positiv: Mit MacDonald, Goc, Gysbers und Samson bekam man einige Großverdiener von der Payroll und schuf sich ein ordentliches Polster zum Manöverieren. Rumrich stellte sich auf einem Fantalk, man wolle den Fehler nicht machen und mit nur 8 Ausländern in die Saison gehen, zwischen den Zeilen konnte man sogar einen möglichen Start mit 10 Ausländern herauslesen (was nicht explizit gesagt wurde).
Weiterhin ging die sportliche Leitung auf Scouting-Tour, die Heim-WM natürlich, Cortina war in Finnland, Rumrich in Schweden und den USA. Auch wenn die Begründung für den Amerika-Trip für die erste hochgezogene Augenbraue der Sommerpause sorgte „…will die Stärke der Ligen dort einschätzen..“ wurde den Fans spätestens mit der Aussage, dass man zwei schwedische Spieler an der Angel hätte der Mund wässrig gemacht. Es kam dann ein Finne, dazu später mehr. Blicken wir zuerst auf die einzelnen Mannschafteile.
Im Tor kam der Abschied von MacDonald nicht überraschend und Strahlmeier hat sich den Posten als Starter redlich verdient. Natürlich hatte er seine schwachen Momente, doch in der Summe hat er gezeigt, dass man ihm viele Spiele in der DEL zutrauen kann. Als Backup wählte man die Billiglösung und holt Marco Wölfl fest ins Team. Der ist die DEL-Tauglichkeit bisher noch schuldig geblieben, aber insgesamt ist das ein Risiko was ein Kellerteam gehen kann, wenn nicht sogar muss. Bei einer langfristigen Verletzung von Strahlmeier muss man sowieso nachbessern und das gesparte Geld für einen teuren Backup kann man woanders zielführender einsetzen (in der Theorie).
Die Verteidigung wurde stark umgebaut. Mit Goc setzte man dem erfahrensten Spieler den Stuhl vor die Tür, ein Abschied für den Kapitän der aufgrund seiner Verdienste anders hätte ausfallen sollen. Sportlich, das hat das Ende der vorherigen Saison gezeigt, zu verkraften. Wie seine Auswirkung auf die Hierarchie und das Kabinenklima war, das kann man von außen nicht beurteilen. Simon Gysbers war zwar nie so schlecht, wie er oft gemacht wurde, aber dem Posten als Top-Verteidiger wurde er zu selten gerecht. Der Abgang ist logisch, genauso der Abgang von Hunkes, der zum einen viel verletzt war und zum anderen nur noch solide und unauffällig spielte. Da kam für einen Ausländer auch zu wenig. Bei Trivellato stockte die Entwicklung.
Sehr positiv ist die Verlängerung von Tim Bender, der einen weiteren Schritt gemacht hat. Brückner ist ein solider Rollenspieler, tut nicht weh und Kaijomaa wurde wohl um der Konstanz wegen gehalten. Überragend hat er auch nicht gespielt. Mit Bittner konnte man einen Nationalspieler aus Mannheim an den Neckarursprung lotsen, dem eine Führungsrolle zugedacht wird. Rückkehrer Mirko Sacher hat in der DEL2 eine positive Entwicklung genommen, die DEL sollte für ihn jetzt nicht mehr zu früh kommen. Sonnenburg und Bohac bringen Erfahrung, Grit und Härte mit, schön, dass man auch „Zweiflaggenspieler“ nicht mehr kategorisch ausschließt. Für Gysbers und Hunkes holte man nur einen neuen Ausländer, Jussi Timonen bringt über 500 Spiele aus der finnischen Liga als Referenz mit, auf den bin ich gespannt.
Insgesamt wirkt die Abwehr für mich homogener, der Erfolg steht und fällt damit ob Timonen als Leader die Erwartungen erfüllt, Bender und Bittner Führungsrollen übernehmen und Bittner und Sacher ihr Scoring deutlich ausbauen bzw. in die DEL übernehmen können. Dann könnte das funktionieren, sonst haben wir einen Hühnerhaufen. Lediglich etwas größer könnte die Abwehr sein, kein Spieler über 1,90m sorgt nicht gerade für Angst und Schrecken.
Der Sturm – auch der ist mir in der Summe zu „klein und schmächtig“ – wurde weniger verändert. Auf der deutschen Seite konnte man lediglich den bei den Fans beliebten Daniel Schmölz nicht halten, mit Höfflin und dem erfahrenen Wörle ist das auf dem Papier ein gleichwertiger Ersatz. Beide sind keine „Starspieler“, aber beide sind solide Stürmer, die uns mehr Tiefe im Kader geben. Mit den deutschen Stürmern waren wir im Vorjahr mehr oder weniger zufrieden.
Bei den Ausländern wurde früh klar, dass man mit Jerome Samson nicht verlängert, da stimmte das Preis-/Leistungsverhältnis nicht. Doch bevor man dafür Ersatz ankarrte, wurden erstmal jede Menge Verträge verlängert: Bartalis, Giliati, Hult, Poukkula. Jeder durfte bleiben, egal ob verletzungsanfällig oder leistungsmäßig nur bedingt tauglich. Dies sorgte für die nächste hochgezogene Augenbraue – denn beim Scoring der Ausländer haperte es und jetzt dürfen es alle nochmal versuchen. Hier hätte ich mit zwei der vier geplant und auf den anderen Positionen frisches Blut geholt. Doch tief durchatmen – im Kader sind/waren noch drei Planstellen im Sturm frei.
Zwei sind es immer noch, denn es wurde nur noch Anthony Rech mit Try-Out präsentiert. Kein Schwede, kein in Nordamerika gescouteter, sondern ein junger, unbekannter Franzose. Risikotransfer, aber gar nicht so schlecht. Natürlich ist die französische Liga schlechter als die DEL, aber er hat dort den besten Punkteschnitt aller Spieler und war bei der WM auf einem Level mit dem wohlbekannte Fleury. Das kann funktionieren – aber wenn nicht, dann fehlt uns im Sturm gewaltiges Potenzial. Außer dem unverwüstlichen Will Acton hat dort jeder Spieler ein großes Fragezeichen über dem Kopf.
In der Summe ist der Sturm für mich zu dünn besetzt, (im Verhältnis) zu viele Arbeiter und zu wenig Scoring. Acton, Giliati, Hult mag funktionieren, wenn alle fit sind, aber beim Secondary Scoring wird es düster. Die deutschen Spieler alle solide, aber der Unterschied zwischen einem guten und einem sehr guten Spieler ist die Möglichkeit, die Top-Leistung jede Woche abzurufen. Das traue ich dort kaum einem zu. Zudem der Sturm für mich zu „technisch“ und zu wenig „körperlich“ für den Kampf im Tabellenkeller und so Fakten wie die Tatsache, dass wir nur einen einzigen rechtsschießenden Stürmer im Kader haben, sorgen zumindest für eine weitere hochgezogene Augenbraue.
Doch sah das trotz einiger diskussionwürdiger Verlängerungen bis zur „Kader iss fertisch“ – Aussage gut aus, ein Konzept, ein Ausmerzen von Schwachstellen, wenn – ja wenn – noch mindestens ein weiterer ausländischer Top-Stürmer gekommen wäre. Besser zwei. Doch bei 80% des Weges ist man stehen geblieben, die Versprechungen über Schweden und 10 ALs stellten sich als leere Versprechungen heraus und verständlicherweise ist der Unmut in Fankreisen ziemlich groß. Viele fühlen sich schlicht und einfach verarscht.
Mir geht es ähnlich, mir geht das große Fragezeichen nicht aus dem Kopf warum man den Weg nicht vollendet hat. Mit dem jetzigen Team plus zwei AL würde ich einen Kampf um Platz 10 für absolut realistisch halten. Doch warum tun wir das nicht? Warum?
Großverdiener weggeschickt und auf dem Papier keine neuen Stars geholt. Haben wir – wie manche Stimmen behaupten – bei Höfflin und Bittner „Mondpreise“ bezahlt und bei den Vertragsverlängerungen für Poukkula, Bartalis und Giliati noch ordentlich draufgelegt? Das wäre Irrsinn, denn keiner dieser Spieler macht den Unterschied. Ist uns deshalb das Geld ausgegangen oder hat die Sponsoren-Finanzamt-Steuer-Geschichte doch einen Loch ins Etat gerissen? Dazu passt aber nicht die Aussage, dass der Etat leicht erhöht worden ist. Und warum verkündet Rumrich noch vor kurzem, dass noch ein Spieler kommen soll? Oder ist das tatsächlich das Konzept, mit viel Eiszeit für die deutschen Spieler darauf zu hoffen, dass die alle gleichzeitig ihre Karrieresaison spielen, konstant und nicht nur in einzelnen Spielen glänzen und ein Höfflin z.B. statt wie im Vorjahr 0 auf einmal 20-30 Tore schießt, wenn er nur genug spielt?
Das wäre Harakiri mit Anlauf, denn wenn Spieler über ihre Verhältnisse spielen (wie z.B. Danner vor zwei Jahren oder El-Sayed im Vorjahr), dann gibt es genauso Spieler, die unter ihrem Level spielen. Das ist, war und wird schon immer so sein. Warum sollte es genau in diesem Jahr in Schwenningen anders sein? Hoffen Rumrich und Cortina wirklich, dass alle über sich hinauswachsen und die ganzen verletzungsanfälligen Spieler in diesem Jahr verschont werden?
Auf alle diese Fragen ist die sportliche Leitung den treuen Fans und Dauerkartenkunden eine Antwort schuldig. Und wenn die nicht zufriedenstellend ausfällt, dann erleben wir leider, leider einen sehr vergifteten Start in die Saison. Und davon hat keiner was.