Beim Blick auf den Kalender muss man nicht mehr lange umblättern um zum ersten Training zu kommen, der Kader ist auch nahezu komplett und auch wenn Eishockey bei 50 Grad (30 vor der Halle, 20 in der Halle) eher ungewöhnlich ist – es ist nicht zu leugnen, dass die neue Saison vor der Tür steht. Was erwartet uns?
Eine Kaderanalyse schreibe ich dann, wenn der Kader komplett ist. Es fehlt noch ein deutscher Verteidiger und der Top-Center und gerade die letzte Position wird eine Schlüsselposition werden. Die Fans sehnen sich leider nach einem großen Namen und Tag für Tag wird der Druck größer, der bewusst oder unbewusst auf diesen Spieler projeziert wird. Die Älteren unter uns werden sich noch mit Grausen an die letzte DEL-Saison 2002 erinnern, als man auch ewig keinen Center für die 1. Reihe hatte und dann kurz vor Saisonbeginn Alexander Kuzminski präsentiert wurde. Schlimmer kann es dieses Jahr auch nicht werden, aber – wie geschrieben – mehr zum Kader zu einem späteren Zeitpunkt.
Heute möchte ich eher mit der grundsätzlichen Entwicklung des Schwenninger Eishockeys und der Zukunft beschäftigen ohne gleich die mit einem fatalistischen Unterton versehene Frage „Quo vadis?“ zu stellen. Denn wenn man in die Fangemeinschaft hineinhorcht, dann gab es nach der letzten Saison unheimlich viel Frust. Tief sitzenden Frust. Durch de Raaf wurde zwar eine gewisse Euphorie geweckt und natürlich gibt es auch schon wieder den einen oder anderen der gleich drei rosarote Brillen übereinander trägt – aber insgesamt habe ich das Gefühl, dass die Nörgelquote in diesem Sommer deutlich höher ist. Man ist nicht mehr bereit sich auf Ankündigungen und Versprechungen einzulassen, es wird mehr sinnlos gemotzt, es wird aber auch mehr berechtigt kritisch hinterfragt. In der Summe ist der Frust allerhöchstens zu einem neutralen Zustand migriert, keineswegs zu Begeisterung und Vorfreude. Den Kredit, den das letztjährige Team hatte, hat diese Mannschaft im Vorfeld definitiv nicht.
Die Fans erwarten vom ersten Tag an, dass die Mannschaft liefert. Nicht unbedingt durch Siege und Erfolge, aber zumindest durch Kampf und Einsatz. Gleichzeitig haben wir einen fast komplett erneuerten Kader und eine neue sportliche Leitung, die sich finden und eine Hierarchie herausbilden muss. Es wird auch da Rückschläge geben und es werden auch Spieler dabei sein, die enttäuschen und als Fehleinkäufe in die Schwenninger Geschichte eingehen. Dies ist eine gefährliche Mischung und es ist viel Feingefühl gefragt, dass die Saison und das Teamgefüge nicht frühzeitig kippt. Ich wünsche Rumrich und de Raaf eine glückliche Hand, denn trotz aller Lippenbekenntnisse, dass junge und kämpfende Spieler doch völlig ausreichen, will ein Großteil des Schwenninger Publikums nach der Schlusssirene ein Tor mehr auf der Anzeigetafel haben als der Gegner.
Aus diesen Gründen der gewählte Titel vom „Schicksalsjahr„.
Auch im Fußball in Freiburg und an anderen Standorten wurde immer davon gesprochen, dass sich im dritten Jahr nach dem Aufstieg (oder Aufkauf) entscheidet, ob man sich etabliert oder nicht. Das erste Jahr lebt von der Euphorie, da wird einem alles verziehen. Man ist froh wieder dabei zu sein, man berauscht sich an einzelnen Spielen und Erlebnissen und ist am Ende der Saison froh, wenn man nicht in einem Atemzug mit Tasmania Berlin genannt wird. Das zweite Jahr ist ungleich schwerer. Die Euphorie ist vorbei, man hat alle Stadien schonmal gesehen, die Gegner sind auch nix neues mehr und so langsam möchte man doch auch gerne wieder das erleben, was man in der Liga drunter hatte. Siege. Erfolge. Sonnige Tabellenregionen. Auch für die sportliche Leitung ist das zweite Jahr gefährlich, denn nach der Euphorie in der vieles von selbst lief, setzt langsam der Kater und der triste Ligaalltag ein und es reift die Erkenntnis, dass hier oben viel, viel weniger von selbst geht, sondern harte, solide und seriöse Arbeit zum Erfolg führt. Gleichzeitig muss man den Prozess durchmachen, sich von liebgewonnenen Aufstiegshelden zu trennen, die ohne Zweifel ihre Verdienste haben, aber eben für die neuen Ansprüche nicht mehr geeignet sind. Deshalb geht Jahr Zwei oft schief. Wie bei uns.
Und dann kommt das dritte Jahr. Fans und Umfeld werden ungeduldig und scharren mit den Hufen, auch wirtschaftlich muss man sich langsam fragen wie lange man Erfolglosigkeit noch finanzieren will. Gleichzeitig kennt man die Liga richtig, auch der Kater ist verschwunden und man kann sich wirklich in einen guten Arbeitsmodus versetzen. Kaum noch etwas kann einen überraschen und man weiß was man braucht, um in der Liga zu bestehen. Wenn man dies schafft, dann kann man sich etablieren. Ab dem dritten Jahr „gehört man dazu“, ist ein Teil der Liga, nicht mehr der Neuling. Oder man schafft die Wende nicht und es geht weiter abwärts und – in anderen Sportarten – mit dem Abstieg zurück in die Liga drunter.
Vor diesem Schicksalsjahr stehen wir auch in Schwenningen. Entweder greift das Konzept von de Raaf und Rumrich und wir stehen am Ende mit maximal 10 Punkte Abstand auf die Pre-Play-Offs auf Platz 12 oder wir spielen ab Sommer 2016 wieder in der DEL 2. Einfluss darauf können auch wir Fans haben. Wir spielen zwar nicht, aber wir können Unterstützung, Rückhalt und auch Nachsicht mit den jungen Spielern geben.
Haken wir das letzte Jahr ab, blicken wir nach vorne. Ich will mich in dieser Liga etablieren. Ich will nicht zurück nach Weißwasser oder Bremerhaven. Ich will nicht mit den Wild Wings scheitern.
Vollgas von der ersten Minute für unsere Farben!