Mit etwas Abstand ein Blick zu den beherrschenden Themen rund um das Wochenende der Wild Wings. Sportlich braucht man nix zu schrieben, mit einem knappen Sieg und einer knappen Niederlage gegen zwei etatmäßig stärker einzuschätzende Mannschaften können wir alle sehr gut leben, auch tabellarisch ist alles in Butter. Doch was wäre Schwenningen ohne Diskussionen. Und was wäre dieser Blog ohne polarisierende Themen.
Punkt 1: Der Zuschauerzuspruch. Ein grandioser Derbysieg, tolle deutschlandweite Werbung im TV und dann stolpern gegen Krefeld – Traditionsverein – keine 3.500 Hansel durch die Helium-Arena. Was ist denn da los? Wie zu erwarten wurde bereits während des Spiels damit begonnen, die Argumente auszutauschen und die Debatte hitzig nach Facebook und in die Foren verlagert. Auch wenn ich die beruhigenden Stimmen nach dem Motto „es ist noch nicht kalt, sobald es Winter wird, wird es schon voll“ normalerweise unterstütze, stimmt es mich doch bedenklich, wenn man aus dem Erfolg gegen die Adler so gar kein Momentum auf der Zuschauerseite mitnehmen kann. Denn selbst als es letztes Jahr am Ende der Saison um nichts mehr ging, hatten wir in Wald-und-Wiesen Spielen nicht weniger Zuschauer. Für mich ist dieser Wert von 3.500 ganz klar der Basiswert der Schwenninger Eishockey-Begeisterung. Die kommen eigentlich immer, wenn man nicht gerade ganz unten steht und am Dienstag ran muss. Auch wenn das eine Zahl ist über die man in Wolfsburg sehr glücklich wäre, passt es nicht so ganz in die Euphorie und die Begeisterung die gerne rund um die Schwenninger DEL-Rückkehr verkauft wird. 3.500 also – und mehr werden es nur, wenn der Gegner passt (Mannheim ist), Weihnachten ist (ihr werdets sehen) oder man ganz oben steht (siehe Hamburg-Spiel).
Wie kann man diesen Wert steigern?
Viele prangern da die Preispolitik an, doch das ist für mich eine leicht zu nutzende und nicht zutreffende Ausrede. Klar mag es einzelne geben, für die der Preis wirklich zu hoch ist, aber langfristig zeigt sich immer, dass der Preis das geringste Problem ist, wenn man etwas wirklich will. iPhones sind auch überteuert und verkaufen sich trotzdem wie warme Semmeln. Würde man jetzt die Stehplätze um 2 Euro senken, dann würde das Gemecker über die Preise um kein My abnehmen, da bin ich mir sicher. Und die Zuschauerzahlen würden marginal steigern, aber der Ertrag würde sinken. Stattdessen muss man jetzt um jeden Zuschauer sehr lange und sehr hart kämpfen. Mit DEL und Komfortsteigerung in der Arena war es kein Hexenwerk, den Basiswert von 2.500 auf 3.500 zu steigern, aber ab jetzt wird es richtig harte Arbeit. Zusätzliche Leistungen, Fanbetreuung, Kinderbetreuung während der Spiele, guter Kundenservice, freies W-Lan, Maskottchen, etc.. – all das und noch viele weitere Ideen bringen Dir neue Zuschauer. Und wenn man den Grundstock um 100 pro Jahr steigern kann, dann ist das für mich auf dem Niveau ein enormer Erfolg.
Damit muss man sich eben abfinden, dass wir nicht jede Woche 5.000 in der Halle haben. Und mal ehrlich – lieber mit 3.500 die Vollgas geben, als die Bude voll und das Popcorn ist wichtiger als das Spielgeschehen.
Punkt 2: Arm aua bei Ryan Ramsay. Der Stürmer hat sich durch einen geblockten Puck einen Bruch – oder sowas – an der Hand/am Arm zugezogen und dürfte bis Jahresende ausfallen. Prompt werden die Stimmen nach einer Nachverpflichtung laut und auch Jäger und Mair äußern sich in der Presse – mehr oder weniger forsch – in diese Richtung. Es kursieren auch schon eine Menge Namen und Wünsche (Magowan, Werner, Lehoux, Palmieri, und so weiter und sofort). Doch brauchen wir das wirklich? Wie schon bei der Torhüterfrage – wo man auch nicht auf mich gehört hat – positioniere ich mich auch diesmal wieder grundsätzlich gegen eine schnelle Neuverpflichtung. Gründe? Gerne.
- Verletzungen gehören zum Business dazu, das muss bei der Kaderplanung einkalkuliert werden und bei aller Liebe und Sympathie für Ramsay und auch wenn seine Formkurve nach oben zeigt – wenn wir die 3 Assists aus den ersten 11 Saison-Spielen in der vorraussichtlichen Ausfallzeit von 22 Spielen (nach Adam Riese also sechs Assists) nicht kompensieren können, dann hätten wir den Kader viel zu sehr auf Risiko zusammengebaut.
- Eine Nachverpflichtung kostet Geld, Ramsay kostet trotz Verletzung weiter Geld, ein Schmidt kostet auch Geld, obwohl er nur draußen hockt und aufgrund seines Alters nicht mehr als FöLi in Frage kommt – by the way eine merkwürdige Verpflichtung, wenn ich jemand hole, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob er den Sprung schafft und dann für den Fall des Scheiterns keinen Plan B habe. Keil oder Sacher hätten in dem Fall in Crimmitschau gespielt. Aber zurück zum Geld – ich glaube nicht, dass wir es dicke haben, um uns eine signifikante Verstärkung zu holen. Wir haben schon einen zusätzlichen Torwart, Zuschauerschnitt siehe oben und neue Großsponsoren konnte ich in der Arena auch nicht ausmachen.
- Nachverpflichtungen schlagen seltenst ein. Fast alles was wir während der Saison so geholt haben, ist mehr oder weniger kläglich gescheitert. Mehr als ein paar Assists traue ich einem frustrierten AHL-Spieler schon zu, aber ob wir für unsere Mittel wirklich jemanden aus dem oberen Regal bekommen? Ich glaube nicht. Und ein Griff ins Liga-Lazarett oder die Ausschussware der Großen – hilft uns das wirklich weiter?
Sofern es also bei der Verletzung von Ramsay bleibt und sich nicht wirklich eine einzigartige Möglichkeit in Sachen Preis/Leistung ergibt und nicht irgendwoher Geld daherkommt (z.B. Vertragsauflösung Schmidt und zurück nach Ravensburg mit ihm), dann kann man eine sofortige Verpflichtung bis zum Wochenende nur dann gutheißen, wenn man auf Facebook bei Aktionismus täglich gefällt mir klickt.