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Mensch, Mair!

Posted by on Oktober 2, 2014

Nach der Stellungnahme zur Lage des Vereins, liegt es mir irgendwie auf dem Herzen doch noch mal näher auf die Personalie Stefan Mair einzugehen. Nicht weil ich ihm bedingungslos folge oder ihn mit aller Macht verdamme (auch in der Beurteilung des Trainers fehlen häufig die Grautöne), sondern weil ich finde, dass man zu ein paar Sachen nochmal etwas schreiben sollte, die so rund um den Saisonstart zu lesen waren. Vielleicht sind die Gedanken ungeordnet, aber fangen wir mal an.

Ich stimme völlig zu, wenn man sagt, dass Stefan Mair dieses Jahr liefern muss. Er hatte als einer der weniger Trainer das seltene Glück zwei Jahre Probezeit zu bekommen. Das Jahr in Liga 2 um sich an das deutsche Eishockey zu gewöhnen und das erste Jahr in der DEL, in dem wir alle erstmal wieder lernen mussten, wie Oberhaus so geht. Jetzt ist Jahr 3 und jetzt zählt es. Doch liefert er nicht? Oder hat er nicht gar schon geliefert?



Das Jahr in Liga 2 war in Ordnung. Es wird ihm zwar immer wieder vorgeworfen, dass er uns das Finale verloren hat und sein Gameplan in wenigen Minuten geknackt wurde, doch ist das maximal einer von vier zentralen Aspekten für den Bietigheimer Finalsieg. Punkt 1: Die Steelers waren besser, wenn auch nur um Nuancen, das muss man auch anerkennen. Punkt 2 lässt sicher Spielraum nach oben beim Coaching, aber der Egoismus von Diva Leavitt und die bescheidenen Torhüterleistungen im Finale haben auch nicht gerade dazu beigetragen das Finale zu gewinnen. Gelutscht ist der Drops sowieso, aber ihm daraus einen Strick drehen zu wollen kann man fast nur mit Antipathie erklären.

Und das letzte Jahr in der DEL? Das haben wir doch eigentlich alle als ganz in Ordnung empfunden. Dafür, dass die Mannschaft in Teilen nicht DEL-tauglich war, man quasi durchgehend nur drei Reihen zur Verfügung hatte und dank eines völlig bescheidenen Spielplans bei einem längeren Roadtrip im Februar endgültig den Kontakt zu Platz 10 verlor, fand ich das jetzt alles gar nicht so schlecht. Klar, er hat vier Derbys verloren und am Ende war es dann schon zäh bis trostlos auf dem Eis – doch das ist auch dem Modus geschuldet. Welcher Supertrainer kann sein Team noch motivieren, wenn alle wissen, dass sie in dieser Saison nichts mehr erreichen können?

Insofern ist es schon ein arges Suchen nach den schlechten Dingen, wenn man aus den beiden Vorjahren ein negatives Bild von der Zeit des Stefan Mair in Schwenningen zeichnet und die Erwartungen für Jahr 3 überhöht. Es ist aber auch richtig, dass viele der Erklärungen und berechtigten Entschuldigungen in diesem Jahr nicht mehr gelten. Er kennt die Liga, er kennt die Gegner, er kennt die Schiedsrichter, er kennt die Spielart. Dies muss alles beim Bau des Teams berücksichtigt werden und vom Papier her hat er eine Mannschaft zur Verfügung mit der man Platz 10 realistisch angehen kann. Ausreden gibt es da dann keine mehr und wenn man im Dezember abgeschlagen auf Platz 13 rumdümpelt, dann müssen sich alle – inkl. Mair-Fanboy – hinterfragen, ob er der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Doch zum Glück vertreibt der Blick auf die Tabelle zur Zeit diese Gedanken zu Gunsten eines breiten Grinsens.

Spielt die Mannschaft gegen ihn? Immer ein sehr beliebtes Argument, gerne noch garniert mit Geschichten aus der Kabine von Spieleraufständen, Spielern, die nicht mehr spielen wollen und den Abschied forcieren, Spielern, die sich weigern mit ihm im Bus zu fahren, und so weiter und so fort…. Spricht man dann mit den Spielern zeichnet sich ein ganz anderes Bild. Man muss mit solchen Heckenschützen scheinbar und leider leben, doch schön ist das nicht. Fair schonmal gar nicht. Wenn eine Mannschaft einen Trainer loswerden will, dann habe ich noch nie erlebt, dass sie dazu vier Mal in Folge gewinnt. Die letzten beiden Wochenenden sind wunderbar als Bumerang auf diese Leute zurückgekommen, die diese falschen Gerüchte verbreitet haben. Eine gewisse Schadenfreue kann man da kaum unterdrücken.

Hat er es mit der Mannschaft schwer? Ja. Natürlich. Er hat keine NHL-Vita, er ist kein Kanadier, er hat keine großen Erfolge als Spieler, er ist nur der kleine Italiener, der uns erklären will wie man Eishockey spielt. Bullard, mit seinem Namen und seiner Aura, konnte den größte Blödsinn coachen – und mehr als „Geht’s raus und spielts f*cking Eishockey“ war da ja auch nicht – und wurde trotzdem akzeptiert. Mair muss überzeugen, die Spieler müssen sehen, dass System und Anweisungen funktionieren. Das braucht Zeit, das braucht vor allem auch Erfolge.

Und sonst so? Natürlich knallt es mal zwischen Chef und Angestellten. Das ist aber in jeder Firma so. Oder besser gesagt zwischen Abteilungsleiter und Angestellten, die Chefs sitzen ja weiter oben. Und mit genügend Rückendeckung kann man als Abteilungsleiter auch notwendige unpopuläre Entscheidungen gegenüber der Belegschaft treffen. Aber aus einer inhaltlichen Differenz gleich ein persönliches „mit dem kann ich nicht mehr“ zu konstruieren, wer so einfach denkt, kommt auch im Berufsleben nicht weiter. Und bei aller Liebe – Eishockey ist ein harter Vollkontaktsport, wer da nicht mal einen rauhen Ton vertragen kann, der soll zum Curling gehen. Wenn es denn wirklich so dramatisch schlimm gewesen wäre, warum haben dann so viele Spieler breitwillig und früh ihre Verträge verlängert? Masochisten?

Natürlich mag Mair als Mensch nicht einfach sein, dazu kenne ich ihn persönlich zu wenig. Bekannt ist seine Akribie was die Vorbreitung und alles rund um das Spiel angeht. Wer ihn mal bei Videoanalysen beobachtet und gesprochen hat, der kann erkennen wie detailverliebt er Spiele betrachtet und wieviel Gedanken er sich rund um das Spiel und um seine Entscheidungen macht. Wenn Akribie dann in Kontrollfreak umschlägt, ist das natürlich für manche schwierig. Überspitzt und fiktiv gesagt, wenn er den Schliff jeder einzelnen Kufe mit dem Finger selber überprüft, dann würde ich mich als Schlittschuhschleifer auch verarscht vorkommen. Vielleicht muss er lernen zu delegieren, vielleicht muss er lernen mehr vertrauen zu können.

Doch was das Vertrauen angeht ist er ein gebranntes Kind. Er ist hergekommen, sehr offen, hat sich mit Fans getroffen, hat mit vielen Fans gechattet und gesprochen und sich versucht zu erklären. Bis er dann merkte, es bringt nix, es wird nur gegen ihn ausgelegt oder er liest ein paar Internas, die er beim Pizzaessen mitgegeben hat am nächsten Tag brühwarm im Forum. Da muss er sich selber schützen und da muss er eben Kontakte zurückfahren. Deutlich zurückfahren. Und unglücklicherweise kommt er damit vom Regen in die Traufe, denn die Leute, die sich ihm bis dahin „ganz nah“ gefühlt haben, nehmen ihm die neue Distanz dann wieder übel.

So ist der Beitrag doch viel länger geworden als gedacht. Bleibt noch die Quintessenz und die Botschaft: Was Mair für ein Mensch ist, kann uns scheißegal sein. Wie er mit seinen Spielern umgeht, ist in erster Linie ein Problem zwischen ihm und den Spielern. Wichtig sollte für uns sein, dass er für Schwenningen und die Wild Wings das Bestmöglichste aus dem Team herausholt. Im Moment scheint ihm das zu gelingen und da ist es mir egal, ob er die Spieler peitscht oder mit Wattebäuschen streichelt. Es gibt immer verschiedenen Wege zum Erfolg und ich wünsche mir, dass der Mair-Weg einer ist, der in Schwenningen funktioniert. Und was die ganzen Nebengeräusche angeht, sollten wir alle einen Gang runterschalten. Er ist Trainer, er ist verantwortlich für Training und Taktik – dafür kann man ihn kritisieren, muss man vielleicht gelegentlich sogar, aber ihn als Mensch herabsetzen, diffamieren und böswillig verunglimpfen, das steht niemandem von uns zu. Egal wie schlecht wir spielen sollten.

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